FÖRDERVEREIN BAIRISCHE SPRACHE UND DIALEKTE e. V.


 

Muttersprache ist ein Schatzkästlein

zum Artikel „Deutsch, Denglisch oder Engleutsch?“

Thema des Tages im Bayernwald-Echo, Mittelbayerische Zeitung am 13. Feb. 2002

 

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Cham (Mittelbayerische Zeitung) In der von dem Chamer Berufsschullehrer Franz Aschenbrenner eingeleiteten Diskussion um die «Verhunzung der deutschen Sprache» durch englische Begriffe («denglisch») hat sich jetzt auch der Rodinger Kreisheimatpfleger Josef Kilger in folgendem Leserbrief zu Wort gemeldet:

Gewiss ist die deutsche Muttersprache nicht eine Sprache, die von außen nicht berührt oder verändert worden wäre. Im Laufe der Jahrhunderte sind Begriffe eingeflossen: (Alt-)Griechisch, Lateinisch, Italienisch, Französisch und Englisch haben Neues ins Schatzkästlein gelegt. So fällt manches im Schatzkästlein gar nimmer auf: Telefon, Konzept, Girokonto, das Kuvert und der Teenager.

Gewiss ist der «Fernsprecher» wunderbar deutsch, leider hat man das Telefaksimile zu Telefax verschrumpelt, das Kuvert gar bei uns konserviert und der Teenager (from thirteen to nineteen) ist eben doch sinnvoller als der Backfisch, der zu kleine Fisch, den die Fischer wieder ins Meer zurück, niederdeutsch «back», zurückwarfen, vielleicht gar von Backbord aus. Welche 14Jährige will noch ein Backfisch sein? Tausende und Abertausende «fremde» Begriffe sind im Schatzkästlein...

Jede Sprache wird Anderes annehmen und aufsaugen. Die nachdenkenden Leute sorgen sich aber um etwas Anderes. Die Klage ist nicht neu. Schon Jacob Grimm (einer von den Brüdern oder Gebrüdern!) klagte, dass man dem fremden Wort «ohne Not» den Zutritt erleichtere. Ohne Not...

Es scheint wirklich eine Mode geworden zu sein, ohne Not englische Begriffe aufzunehmen. Ohne Not. Klar, die Sprache das Computers ist nun einmal Englisch. Außerdem ist in unserem «globalen Dorf» eine Sprache notwendig, die (fast) alle mehr oder weniger sprechen können. Englisch ist aus vielfältigen Gründen eine solche Sprache geworden, wie es das Lateinische einmal war.

Aber die Muttersprache (welch herrliches Wort!) ist wie ein Schatz zu hüten. Sie strahlt Gefühl aus, mit ihr «begreifen» wir die gute, aber auch die trostlose Welt. Die Schwester der Muttersprache, die Mundart, gehört auch dazu! Eine Fremdsprache muss man können, aber sie ist «aufgesetzt» oder darüber gestülpt, manchmal so fest, dass die Muttersprache verkümmert.

Dieses erkannte auch Franz Aschenbrenner als Englischlehrer, gerade deswegen. Andere sind traurig, weil das Schatzkästlein an Inhalt verliert. Der Schatz wird kleiner. «Ohne Not» geben wir Vieles auf. Es kommt nicht von Ungefähr, dass dieser oder jener Schriftsteller oder Dichter dieses beklagt. Einer von ihnen ist Rolf Hochhuth. Der Aufsatz aus seiner Feder trägt die Überschrift: «Die Verbannung aus der Muttersprache. Jacob Grimm oder die Angst um das deutsche Wort: Wider die Vorherrschaft des Englischen - eine Erinnerung aus gegebenem Anlass».

Nun ist Rolf Hochhuth im üblichen Koordinatensystem gewiss nicht konservativ oder gar reaktionär, um auf einen Kommentar seines Briefeschreibers über einen anderen Briefeschreiber einzugehen... Sprache muss Heimatgefühl erzeugen können. Die Emigranten haben das seinerzeit schmerzlich gespürt. Ich denke da zum Beispiel an Thomas Mann.

Warum will man manchem in der Heiligen Messe die Heimat rauben, wenn der Chor oder die Band (der Begriff ist nicht einfach mit «Kapelle» auszutauschen) nur englische oder amerikanische Kompositionen zu Gehör bringt. Der eine fühlt sich eben in der deutschen Messe daheim und geborgen, der andere meint, es muss Pop und Rock sein. Der Anhänger von «Meerstern ich dich grüße» ist keineswegs reaktionär, der Anhänger von Pop und Rock ist keineswegs «supermodern». Wenn es der Jugend gefällt, von mir aus, dann sollen sie eben ihre Rockmesse haben, hin und wieder!

Achten wir sorgfältig auf unser Schatzkästlein, dass es nicht immer mehr abhanden kommt und «ohne Not» ausgetauscht wird. Die Lehrer sollten immer mehr das Lesebuch aufschlagen lassen. Sonst bleibt vom Schatz im Kästlein nur ein kleiner Rest von dürren Begriffen übrig, von seelenlosen... Und das Gefühl trocknet aus... Sprache ist Heimat. Wer aus der Sprache vertrieben wird, wird auch aus der Heimat vertrieben, oder verliert zumindest einen Teil davon.

Eine Fremdsprache muss man sprechen können, die Mundart ist auch ein Schatz, die Muttersprache selber aber muss man hegen und pflegen und nicht «ohne Not» unachtsam verplempern.

 

Josef Kilger,
Reinwaldstr. 62,

93426 Roding

(Realschulkonrektor, Kreisheimatpfleger für den Altlandkreis Roding)

 

Artikel von efischer - überstellt am 23.02.2002

 

 

 

 

 


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